Die Säkularisierungsthese, nach der Religion mit wachsender Modernisierung und den damit verbundenen Prozessen der Rationalisierung durch das wissenschaftlich-technische Denken, der Individualisierung und funktionalen Ausdifferenzierung von Gesellschaften von selber verschwinden würde, war lange Zeit in Gesellschaft und Wissenschaft eine vorherrschende Anschauung. Allerdings wurde der notwendige Zusammenhang von Modernisierung und Säkularisierung in den letzten Jahren in den jeweiligen soziologischen und philosophischen Debatten infrage gestellt. Die Säkularisierungstendenzen der Moderne haben demzufolge Religion nicht zum Verschwinden gebracht, aber die Ausgangssituation der religiösen Weltdeutung massiv verändert, denn ein religiöses Selbstverständnis des Menschen stellt in westlichen Kulturen längst keine Selbstverständlichkeit mehr dar. Zudem muss die religiöse Option bestimmte rationale Standards erfüllen, um als moderne Form von Religiosität zu gelten.

Vor diesem Hintergrund werden in der Vorlesung angesichts dieser Herausforderungen zum einen einige bedeutende entwicklungsgeschichtliche Zusammenhänge dargestellt und untersucht und zum anderen soll ein philosophisch-theologischer Rahmen entwickelt werden, innerhalb dessen die religiöse Deutung als eine vernünftige Option verstanden werden kann. Eine solche Konzeption von Religion erfordert nicht nur eine Unterscheidung zwischen Moderne und Säkularisierung, sondern es muss auch gezeigt werden, wie sich ein modernes Religionskonzept von einem vormodernen unterscheidet.